Ehemalige Uranmine in Příbram, Tschechien

Geigerzähler mit dem Raspberry Pi Pico

1. Einleitung

Ein einfaches Strahlungsmessgerät (landläufig Geigerzähler genannt) aufzubauen ist weder sonderlich schwer noch mit großen Kosten verbunden.

Im folgenden Artikel dokumentiere ich den Bau einiger einfacher wie fortgeschrittener Prototypen ohne jedoch sehr ins Detail zu gehen.

Viele Details sowie eine Bauteilliste gibt es auf meiner hackaday.io-Projektseite (in Englisch). Dort besteht auch die Möglichkeit Kommentare abzugeben.

2. Projekt Geigerzähler

2.1 Schaltungskonzept

Das Steuersignal zur Generierung der Zählrohrspannung bildet beim gewählten Schaltungskonzept (ein an sich wenig origineller Aufwärtswandler oder boost converter) eine sog. Pulsweitenmodulation (PWM) mit Frequenzen im Bereich von 1-10 Kilohertz.

Diese PWM steuert einen hochvoltverträglichen Transistor (T2 im Schaltplan) mit ebenjenen Frequenzen in schneller Folge auf.

Umgesetztes Geigerzähler-Schaltungskonzept (Aufwärtswandler mit einfachem Regelkreis)
Umgesetztes Geigerzähler-Schaltungskonzept (Aufwärtswandler mit einfachem Regelkreis)

Hierfür verwende ich ein Raspberry Pi Pico Mikrocontroller Board (kurz µC), wenn auch für die schiere PWM-Generierung ein schlichter IC wie der NE555 zunächst ausreichen würde.

Die Spule L1 ist das eigentlich hochspannungserzeugende Bauteil. Aufgrund rascher Stromänderungen – bedingt durch das Aufsteuern/Schließen des Transistors – entsteht eine hohe Selbstinduktionsspannung (hier >400V) die mit unterschiedlichen Induktivitätswerten in gewissen Grenzen beeinflussbar ist.

Kondensator C1 sorgt in Kombination mit Diode D1 für die Energiespeicherung. Transistor T1 ist Bestandteil der Zähllogik, FET Q1 mit den Zener-Dioden D2-D5 Teil der Spannungsregelung.

Der Aufbau der Hochspannung durch Selbstinduktion in L1 (Simulationsergebnisse)
Der Aufbau der Hochspannung durch Selbstinduktion in L1 (Simulationsergebnisse)

Experimentelle und produktive Codebeispiele in C sowie kompilierte Programme mit empirischen Werten für PWM Tastgrad und Frequenz liegen in meinem RasPi Github-Repository ab (wird fortlaufend erweitert).

2.2 Zählrohre

Ich nutz(t)e während der Entwicklung zwei verschiedene Zählrohre die sich in ihren geometrischen Dimensionen, der Empfindlichkeit und dem Preis unterscheiden.

Ganz okay und gut verfügbar für erste Tests ist ein Z1A Zählrohr vom Elektronikversandhändler Pollin, welches Stand April ’22 fünfzehn Euro kostete.

Wesentlich besser sind SBM-201 Zählrohre aus alten UdSSR-Beständen, welche ich bei Händlern aus Osteuropa für ca. dreißig Euro inklusive Versand erstehen konnte.

Geiger-Müller-Zählrohre Z1A (rechts) und SBM-20; ganz links ein Stück Uranglas
Geiger-Müller-Zählrohre Z1A (rechts) und SBM-20; ganz links ein Stück Uranglas

1 ich erhielt den Hinweis dass es sich bei dem abgebildeten Zählrohr nicht um ein SBM-20, sondern um das Vorgängermodell STS-5 mit sehr ähnlicher Spezifikation handelt. Die Entzifferung der aufgedruckten kyrillischen Buchstaben verrät in der Tat das Zählrohrmodell (“CTC-5”)

2.3 Philosophie für den Prototypenbau

Frühe Prototypen sind auf kleinen, billigen Lochrasterplatinen mit aus Elektroschrott ausgeschlachteten Bauelementen aufgebaut.

Rascher Wechsel auf ein PCB-Design inklusive Gehäuse ist ratsam, da das EMV-Verhalten bei windigen Bastelaufbauten nicht sonderlich gut sowie ein Berührschutz angeraten ist.

Auch sind bei solider Geometrie und Verdrahtung Ergebnisse leichter reproduzierbar.

Aus persönlicher Neigung bevorzuge ich beim Prototypenbau “Durchsteck-” (das heißt bedrahtete) Bauelemente zu SMD-Komponenten, insbesondere da Abmessungen und Gewicht hier (noch) keine entscheidende Rolle spielen.

Als Strahler verwende ich frei im Handel erhältliches Uranglas. Aus naheliegenden Gründen strahlt dieser Stoff nicht sehr stark. Zum Testen von Prototypen ist er jedoch ausreichend.

3. Produktive Tests

In den folgenden kurzen Videos nun Geigerzähler-Prototypen in einem frühen und in ausgereifteren Entwicklungsständen in Aktion.

3.1 Visualisierung mit einzelner LED

Stand April ’22

Der allererste einigermaßen funktionierende Versuchsaufbau. Ergebnis ist insgesamt aber noch wenig beeindruckend.

Allererste Prototypen auf Lochrasterplatinen für Parameterevaluierungen
Allererste Prototypen auf Lochrasterplatinen für Parameterevaluierungen

Der BC337 Kollektor-Emitter “Lastkreis” besitzt eine LED incl. Vorwiderstand und ist an USB +5V angeschlossen. Neben dieser simplen optischen Anzeige gibt es keine Zählung oder Auswertung von Impulsen.

Die Krokolemmen bieten Flexibilität für verschiedene Rohrgeometrien, somit kann das Z1A Zählrohr anstelle des SBM-20 angeklemmt sein.

3.2 Anschluss einer Flüssigkristallanzeige

Stand Mai ’22

Mit einem nur noch für das SBM-20/STS-5 Rohr geeigneten sehr vorläufigem PCB-Design und einer etwa zehn Euro teuren 16×2 Flüssigkristallanzeige (LCD), sowie zwei extra LEDs.

Die Anzeige ist an den I2C-Bus angeschlossen (gewählt I2C0 Controller mit Pins GP4 – SDA, GP5 – SCL). Zur Sicherstellung der Funktion des I2C sind zwei interne Pull-Up-Widerstände des Mikrocontrollers via SW aktiviert.

Für den dauerhaften Batteriebetrieb sind Flüssigkristallanzeigen aufgrund des vergleichsweise hohen Energiebedarfs eher nicht geeignet. Bei dem abgebildeten Modell ist aber die Hintergrundbeleuchtung über einen Jumper deaktivierbar (auf Kosten der Lesbarkeit versteht sich).

Die Zählrohrspannung ist bei diesem Design ungeregelt.

3.3 Zählrohrspannungsregelung und OLED-Anzeige

Stand Januar ’23

Die mit einem wesentlich verbesserten PCB aufgebauten Prototypen sind nun mit einer Zweipunktregelung versehen (siehe Schaltplan in Absatz 2.2), womit auch die SW grundlegende Änderungen erfahren hat.

Überschreitet die Hochspannung einen bestimmten Schwellwert wird die PWM abgeschaltet (dies geschieht aufgrund der Regelung zyklisch). Dies hat mehrere Vorteile, aber der entscheidende Vorteil ist wohl die insgesamt größere Stabilität der elektrischen Kenngrößen.

Einheitentechnisch entspräche der auf dem Display angezeigte Wert CPM der Maßeinheit Becquerel, wenn man diesen durch 60 dividiert. Es ist jedoch zu beachten, dass “Counts Per Minute” nur ein (unbereinigter) Messwert ist welcher sich vom tatsächlichen Zerfall (geringfügig?) unterschiedet.

Anstelle der Flüssigkristallanzeige ist nun eine OLED-Anzeige mit dem I2C-Bus verbunden.

Das abgebildete Modul (0.96” OLED SSD1306) ist nicht nur hinsichtlich der geringen Stromaufnahme und dem großen Temperaturbereich interessant, sondern hat auch seine eigenen Pull-Up-Widerstände auf der Platinenrückseite verbaut.

Reduktion der Stromaufnahme durch verschiedene Maßnahmen
Reduktion der Stromaufnahme durch verschiedene Maßnahmen

Die internen Widerstände2 des µC sind aufgrund ihre Größe (50k-80k lt. Datenblatt) anfällig für Rauschen und Einstrahlungen, was sehr wahrscheinlich der Grund für den gelegentlich zu beobachtenden Ausfall der Flüssigkristallanzeige ist (keine Pull-Up-Widerstände auf der LCD-Platine).

2 die eigentlich FETs sind die das Verhalten von Widerständen emulieren, was u. A. die große Bandbreite an Werten erklärt

3.4 IoT-Fähigkeit

Stand Februar ’23

Die IoT-Fähigkeit (Internet of Things) kann ebenfalls ein wertvolles Feature sein.

Dieses ist auf verschiedene Arten implementierbar, beispielsweise mit einem WiFi- (ESP8266) oder BLE- (Bluetooth Low Energy) Modul.

Im Video wird die Verwendung des RN4870 BLE IC von Microchip demonstriert.

Oder man nutzt gleich den Raspberry Pi Pico W der seit Februar ’23 auch “bluetoothfähig” ist.

4. Technische Erweiterungen und Ausblick

Ergänzend zur IoT-Fähigkeit könnte eine größere Menge Messdaten auf einer SD-Karte am SPI-Bus gespeichert werden.

Die Versorgung über Linearregler wie dem LP2950, oder mehr noch dem  L7805CV ist ineffizient, und kann unter der Prämisse der Stromersparnis anders gestaltet sein (Abwärtswandler).

Einige Prinzipien für robustes Design sind bei meinem PCB verletzt, etwa mit der Positionierung des Anodenwiderstandes nicht wirklich nah am Zählrohr oder durch Masseflächen im Bereich der Hochspannung (Gefahr von Kriechströmen).

Nützlich neben elektrischen Modifikationen und Verbesserungen wäre außerdem ein Gehäuse aus dem 3D-Drucker, und generell Anbauten für eine gute Handhabbarkeit und den Berührschutz.

5. Weiterführende Informationen

5.1 Literatur

1. Programming the Raspberry Pi Pico in C – Harry Fairhead, I/O Press; ISBN 9781871962680 (First Edition)

2. Physik für Ingenieure – Hering, Martin, Stohrer, Springer Lehrbuch; ISBN 978-3-540-71855-0 (10. Auflage)

3. The Art of Electronics – Paul Horowitz/Winfield Hill, Cambridge University Press; ISBN 978-0-521-80926-9 (Third edition)

5.2 Online Ressourcen

hackaday.io Projekte des Autors (englisch)

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