1. Einleitung
In einem früheren Projekt stellte ich eine simple Wetterstation bestehend aus einem Raspberry Pi Einplatinencomputer, Sensoren und einer Flüssigkristallanzeige (LCD) vor.
Diese war in der Lage Temperatur, Luftdruck und Helligkeit zu bestimmen, nicht jedoch eine weitere wichtige Wettergröße: die Relative Feuchtigkeit (englisch Relative Humidity, abgekürzt RH) oder auch Luftfeuchtigkeit.
Da mir die Verfügbarkeit von Luftfeuchte-Sensoren aus dem Maker Umfeld nicht sonderlich groß und die Qualität der Teile etwas fragwürdig erschien entschied ich mich jene Wetterstation nicht mit einem Teil von der Stange zu erweitern, sondern eine separate Elektronik mit schlichter (jedoch langlebiger) optischer Anzeige und einem Industrie-Sensor zu entwickeln.
2. Projekt Luftfeuchte-Messung
2.1 Physikalische Größe Luftfeuchtigkeit
Die intensive Messgröße Relative Feuchtigkeit ist das einheitenlose und temperaturabhängige Verhältnis von zwei Dichten, nämlich der Dichten des Wasserdampfes in ungesättigter (ρD) und gesättigter (ρDS) Luft:
φ = ρD/ρDS
Das ist die aus Wetterberichten bekannte Luftfeuchtigkeit, angegeben in einem Prozentwert von 0% – 100% (RH).
2.2 Bauteile und Komponenten
2.21 Übernahme von Hardware
Ich machte mir beim Design der optischen Anzeige die Erkenntnisse bzw. Hardware einer anderen Entwicklung zu Nutze, nämlich die der Bodenfeuchte-Messung.
Hauptmerkmal sind zwei Siebensegmentanzeigen und eine Multiplex-Logik. Es wird jeweils nur ein Block durch einen Transistor aktiv geschaltet, und zwar in so schnellem Wechsel dass dies außerhalb der Wahrnehmung des menschlichen Auges geschieht und die Anzeige statisch wirkt.

Der unmittelbare Gewinn ist die Einsparung von Leitungen und Bauteilen.
Hier die Einsparung eines CD4511BE (BCD-zu-Siebensegment Decoder) ICs und sieben 47 Ohm Widerständen, zum Preis von zwei Bipolartransistoren (z. B. BC337) und zwei 1 kOhm Widerständen (wie man vielleicht erkennt kommen die Vorteile der Multiplex-Logik erst zum Tragen bei drei oder mehr Siebensegmentanzeigen).
2.22 Bauteile-Liste
Die Bauteile-Liste dieses (Einsteiger-)Projekts beinhaltet ausschließlich der Ansteuerlogik für die Siebensegmentanzeigen:
- Raspberry Pi Pico (RasPi Pico) – Datenblatt, RP2040 Datenblatt
- Sensor HIH 4020-001 (siehe Abschnitt 2.3)
- 1xWiderstand 100 kOhm
- 2xWiderstand 10 kOhm
- Lochrasterplatine (202 Kontakte) und Blankdraht
- Buchsen- und Steckerleisten, Schaltlitze (0,14 mm² verwendet), Schrumpfschlauchstücke
2.3 Sensor HIH 4020-001
Der Luftfeuchte-Sensor HIH 4020-001 kostete Stand Mitte März 2022 gut zwanzig Euro, damit etwa das Vierfache des RasPi Pico Mikrocontrollers selbst.
Es handelt sich um einen abgedeckten (jedoch nicht gegen Kondensation oder Spritzwasser geschützten), integrierten Sensor auf Polymerbasis der eine technische Verfeinerung aufweist und das Signal konditioniert. Er ist jedoch passiv und benötigt Energie von außen.
Im Datasheet finden sich alle wesentlichen Daten, einschließlich einer wichtigen Umrechnungsformel welche für die Zusatzhardware wie für einen Verarbeitungs-Algorithmus eine Rolle spielen wird.
Es besteht ein linearer Zusammenhang zwischen RH und dem Sensor-Output Uout:
Uout (25°C) = USupply[V]*(0,0062*(RHSensor[%])+0,16)
In meinem Fall somit eine Ausgangsspannung im Bereich von (mit +5V VBUS vom Pico Pin 40):
Uout_max (25°C) = 5V*(0,0062*100+0,16) = 3,9V
Uout_min (25°C) = 5V*(0,0062*0+0,16) = 0,8V
Wie man sieht ist für einen verlässlichen Output Uout eine stabile Spannung USupply essentiell, nicht zuletzt deswegen weil die Sensorschnittstelle dieses Mal nicht ratiometrisch ist (d. h. ADC_VREF ist von Schwankungen USupply prinzipiell unbeeinflusst).
Die lineare Ausgangskennlinie gestaltet eine Weiterverarbeitung äußerst einfach, was das entscheidende Feature dieses teuren Sensors ist.
2.4 Schaltplan
Der Analog-Digital-Wandler (ADC) des RasPi Pico verarbeitet ein Maximum von 3,3V, folglich muss eine Art Logik den Sensor-Output skalieren.
Hier bietet sich ein gewöhnlicher Spannungsteiler an.
UADC_max (25°C) = (3,9V*100)/120 = 3,25V
UADC_min (25°C) = (0,8V*100)/120 = 0,67V

Änderungen von Spannungswerten finden während der Erfassung der Messgröße vergleichsweise langsam statt (keine schnellen Pulse), daher sind keine zusätzlichen Bauelemente erforderlich.
Der Pico ADC arbeitet nach dem Prinzip der “sukzessiven Approximation”. Dieses Wandlerprinzip ist zwar simpel, aber auch relativ langsam, was allerdings für den gegebenen Anwendungsfall keine Rolle spielt. Die 12-bit Auflösung ist ebenfalls völlig ausreichend.
Auf einen zusätzlichen Widerstand (Pull-up oder Pull-down) zur Erkennung eines Leitungsabrisses der Signalleitung habe ich bei dieser Schaltung verzichtet.
2.5 Algorithmus (Verarbeitung und Ansteuerung)
Die weitere Verarbeitung erfolgt per Software.
Ein kompletter, lauffähiger Code inklusive Erläuterungen zur Multiplex-Logik und Mathematik (Offset sowie “Aufspreizung” des Messbereichs) findet sich in meinem RasPi Github-Repository.
3. Produktiver Test
Ergebnisse waren auf Anhieb recht genau. Eine “Feinjustierung” der Mathematik, Temperaturkompensation (z. B. mit 103AT-2 NTC-Widerstand), solides PCB-Design sowie eine externe ADC-Referenzspannung (möglicherweise gleich ein eigenes ADC-Modul) können je nach Bedarf und Anforderungen noch zuverlässigere Ergebnisse liefern.
3.1 Messwerte vs. Referenzwerte
Gemessen: USupply = 4,99V.
12.03.2022, 13:00h
Nürnberg-Flughafen (Quelle dwd.de, Standort 49.494, 11.078): 23% RH
Messgerätanzeige Außenbereich (Standort 49.465, 11.126): 22% RH
mit Temperaturkompensation, s. Datenblatt (für 11°C): 1,031*22 = 23% RH
13.03.2022, 5:00h
Nürnberg-Flughafen (s.o.): 45% RH
Messgerätanzeige (s.o.): 44% RH
mit Temperaturkompensation, s. Datenblatt (für -1°C): 1,06*44 = 47% RH
14.03.2022, 10:00h
Nürnberg-Flughafen (s.o.): 84% RH
Messgerätanzeige (s.o.): 81% RH
mit Temperaturkompensation, s. Datenblatt (für 7°C): 1,04*81 = 84% RH
Anmerkung: Werte gleichfalls mit Wetter-App gegengeprüft, inhärente Ungenauigkeiten mit diesen Methoden jedoch unvermeidbar.
4. Erweiterungen und Ausblick
In diesem Projekt war der Fokus wiederum auf einer Hardware- und Sensorkonfiguration in einem Einzelsystem.
Zukünftige Pico Projekte sollten daher gleich unmittelbar die IoT-Funktionalität mit im Blick haben, etwa in Form zusätzlicher Elektronik (Espressif ESP8266) oder als Raspberry Pi Pico W Variante.
5. Weiterführende Informationen
5.1 Literatur
1. Grundlagen der Technischen Thermodynamik – Doering/Schedwill/Dehli, Teubner; ISBN 3-519-46503-5 (5. Auflage)
2. Elektronik Tabellen: Betriebs- und Automatisierungstechnik – Michael Dzieia, Westermann; ISBN 978-3142350165 (4. Auflage)
3. The Art of Electronics – Paul Horowitz/Winfield Hill, Cambridge University Press; ISBN 978-0-521-80926-9 (Third edition)